About Hugo Heikenwaelder

Mein Gesamt-Werk umfaßt :
ca.300 Gemälde / Paintings
ca.200 Aquarelle / Watercolours
ca.1000 Zeichnungen / Drawings
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KONTAKT
Hugo Heikenwaelder
Tel.: +43 676 433 44 33
Email : heikenwaelder@aon.at
Ein kleiner Teil meines WERKES ist in diesem BLOG zu sehen.
Danke für Ihr Interesse und Ihren Besuch.

Catcher in the Rye

"Catcher in the Rye" - Illustration von Hugo Heikenwaelder

Vor Kurzem bekam ich über das Künstler-Portal "Fine-Art-America", auf dem ich einen Bilder-Shop betreibe - https://fineartamerica.com/profiles/hugo-heikenwaelder/shop -, den Auftrag für eine Illustration zum Roman „Der Fänger im Roggen“ von J.D.SALINGER, (erschienen 1951).

Catcher in the Rye
Illustration von Hugo Heikenwälder

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In diesem weltberühmten Roman fliegt der 16-jährige Protagonist „Holden“ von der Schule, traut sich nicht heim, irrt 3 Tage und Nächte durch New York, - und trifft dabei seine kleine Schwester im Central Park. Diese fragt ihn, was er denn eigentlich am liebsten machen würde, und er sagt er stelle sich vor : „Ich stehe am Rande einer steilen Klippe in einem Roggenfeld und bewahre die ahnungslos darin spielenden Kinder davor, in den Abgrund zu stürzen.“
Große Metapher für einen orientierungslosen Teenager, - großes Kopf-Kino.
Der Roman wurde noch nie verfilmt, Salinger hat die Verfilmung zeitlebens abgelehnt. Das Buch wurde über 60 Millionen Mal weltweit verkauft. Er wurde 93 Jahre alt und starb 2010. Es blieb sein erster und einziger Roman. Jetzt soll es eine Sonder-Edition geben.
Ich hab die Illustration des "Catcher in the Rye" (englischer Titel) wirkmächtig auf die 4 Hauptfarben gelb, blau, rot und grün reduziert und ein paar graphische Elemente hinzugefügt, - und mit dem Sonnen-Symbol bekommt das Ganze noch eine leicht kosmische Dimension.
Der Verlag hat meine eigenwillige, malerische Neu-Interpetation des Themas für gut befunden und das Werk heute angekauft.
Prosit Neujahr 2024 - Hugo von Kritzelflink

Christmas

"Weihnachten" - Aquarell und Zeichnung von Hugo Heikenwaelder

Liebe Freunde !
Da mein Schaffensdrang wieder mal nicht zu bremsen ist, habe ich zum Abschluß des Jahres noch ein WEIHNACHTS-Aquarell gemalt + gezeichnet, das ich euch nicht vorenthalten möchte.
In diesem Sinne wünsche ich euch frohe Festtage, laßt es euch gut gehen, rutscht gut hinüber in ein hoffentlich friedlicheres 2024, - verliert eure gute Laune nicht und bleibt gesund !
Alles Liebe - euer Hugo von Kritzelflink

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Guardian Angel

"Schutzengel" - Aquarell und Zeichnung von Hugo Heikenwaelder

Schutzengel
Aquarell von Hugo Heikenwälder

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Niemand kann die feinen Fäden des Schicksals entwirren, die unser Leben zusammenhalten, und niemand vermag die geheimnisvolle Struktur unseres Lebensbaumes unter der fein ziselierten Oberfläche unseres Daseins zu erkennen. Man sieht die Rinde und glaubt, dies sei der Baum. Vielleicht eröffnet sich uns im letzten Augenblick unseres Seins und Vergehens der Zusammenhang zwischen unserer Seele und dem Mysterium unserer Existenz. Millionen Entscheidungen haben unsere Vita geprägt. Warum haben wir die naheliegenden Wege oft verlassen und sind in verwinkelten Gassen einer weissen Katze gefolgt, die uns den Weg zu einem neuen, unbekannten Menschen zeigte, der unendliche Bedeutung für uns erlangen sollte ? Plötzlich ist er da, der Moment der Verwandlung, der uns zu einem Anderen, einem Reiferen werden läßt, - ohne zu wissen, warum dies so geschieht und nicht anders.
Nach diesem kleinen Verweis auf das Unerklärliche und Metaphysische zurück ins wirkliche Leben und seine Verstrickungen.

London, Kensington, Philbeach-Gardens 92

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Als ich am Freitag, dem 28. Februar 1975 um halbacht Uhr morgens in London erwachte, einem diesigen Wintertag, wußte ich nicht, dass ich 48 Jahre später einen "Schutzengel"-Text schreiben würde, der diesem Tag und seinen dramatischen Ereignissen gewidmet sein sollte.
Ich war damals 25 Jahre alt, lebte in einer kleinen Wohnung im londoner Stadtteil Kensington und arbeitete bei der Sprachschule BERLITZ, wo ich versuchte irgendwelchen Managern im Einzel-Unterricht auf die Schnelle DEUTSCH beizubringen. Meine Sprachtermine, meist außerhalb in den Büros der jeweiligen Firmen, lagen in den Händen meiner heißgeliebten Head-Mistress Mrs.Rieser, einer emigrierten wiener Jüdin, die nach der Flucht in den 30er-Jahren in London eine neue Heimat gefunden hatte.
Frau Rieser, die mich sofort nach meiner Ankunft bei BERLITZ in ihr wahrlich österreichisch gebliebenes Herz geschlossen hatte, war also die Herrin all meiner Termine, und für diesen winterlichen Freitag im Februar 1975 hatte sie mich nach MOORGATE ins Britannic-House eingeteilt, wo ich einem BP-Manager (British Petrol) um 9 Uhr den Zugang zur deutschen Sprache erschließen sollte.

London, Moorgate, Britannic House mit Moorgate-Station

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Meine liebe Headmistress Mrs.Rieser, war eine elegante Dame, Mitte 50, und nicht nur meine Stunden-Planerin, sondern auch die Herrin über ein Ausgaben-Budget für ihre 17 Lehrer. Sie stellte es uns frei, ob wir zu unseren jeweiligen Auswärts-Jobs mit der U-Bahn oder dem Taxi fuhren, - wir bekamen jedenfalls immer eine großzügige Spesen-Erstattung, auch ohne Belege, und so verdienten sich die Sparsamen bei jedem Außer-Haus-Termin immer ein paar Pfund zusätzlich, denn die generelle Bezahlung bei BERLITZ war eher dürftig.
Ich schaute also um halbacht Uhr morgens aus meinem Fenster in Kensington, Philbeach-Gardens 92, und stellte fest : Es regnet in Strömen.
In meinem Leben spielte die Eitelkeit immer eine sehr große Rolle. Natürlich wollte ich nicht nur der Schönste, der Klügste, der Originellste und auch der Charmanteste sein, sondern auch äußerlich was hermachen und dem entsprechend elegant war auch immer mein Outfit. Für diesen Freitag-Morgen hatte ich mich neben meinen üblichen und unverzichtbaren BALLY-Stiefeletten für einen taubengrauen, leicht bläulichen Seidenanzug entschieden, mit kleinen fein gebügelten Stulpen und darüber einen bräunlichen Kamelhaar-Mantel mit BURBERRY-Schal und Hut, - schließlich wollte ich bei den Managern von BP, wo ich um 9 Uhr erscheinen sollte, nicht den Eindruck hinterlassen, ich sei ein hungerndes Armutschkerl, sondern ihresgleichen, sowohl in Bezug auf Bildung, wie auch auf das äußere Erscheinungsbild.
Um 8 Uhr, nach dem Frühstück, sah ich nochmals aus dem Fenster und es war offensichtlich, dass es noch mehr regnete als eine halbe Stunde zuvor, und auch ein unangenehmer Wind fegte durch die Strassen. Zur U-Bahn-Station Earl's-Court waren es zu Fuß fast 10 Minuten.
Sollte ich meine schönen Schuhe, meinen eleganten Anzug, meinen teuren Mantel wirklich der Unbill des Londoner Schlecht-Wetters ausliefern ? Mitnichten ! Der Himmel entschied diesen Morgen zum TAXI-Tag.

London-Taxi bei Regen

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Von Kensington nach Moorgate waren es etwa 7,5 Meilen (12 km), und neben meiner Eitelkeit war auch noch mein Hang zur Bequemlichkeit ausschlaggebend dafür, dass ich mich für ein Taxi zur Anreise ins Britannic-House entschied. Wie sich später herausstellen sollte, war dies eine der klügsten Entscheidungen meines Lebens.
Also raus aus dem Haus und rein ins Taxi, Regenschirm zusammengeklappt und Leder-Aktentasche auf dem Schoß, ab nach Moorgate zu British-Petrol.

Von Kensington nach Moorgate | U-Bahn-Strecke | 7,5 Miles

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Etwa zur gleichen Zeit, als ich in Kensington ins Taxi stieg, übernahm ein gewisser Leslie Newson als "Driver" seinen U-Bahn-Triebwagen, um diesen ebenfalls nach Moorgate zu steuern. Er war 56 Jahre alt, seit 6 Jahren bei der London-Tube angestellt, ein unauffälliger Mensch mit wenigen sozialen Kontakten, immer pünktlich und laut Beschreibung verläßlich wie ein Uhrwerk.
In dieser U-Bahn, dem "Train 272", befand sich auch noch ein 18-jähriger Schaffner mit dem Namen R. P. Harris. Er war ein Fan des londoner Fußball-Clubs "Queens Park Rangers" und nachdem er die etwa 130 Fahrgäste in der 3-teiligen U-Bahn-Garnitur flüchtig kontrolliert hatte, begab er sich in das kleine, unbenützte Führerhaus am Ende des Zuges, um sich dort in der mitgebrachten Zeitung über die Spiele des kommenden Wochenendes zu informieren.
Die Moorgate-Tube-Station (ca.20 m unter der Erde) war zu dieser Zeit auf jenem Geleise, auf dem der besagte "Train 272" mit Leslie Newson als "Driver" und dem "Guard" R P. Harris fuhr, ein Kopfbahnhof. Und "Kopfbahnhof" bedeutet, am Ende des Geleises auf dem der "Train 272" mit ca. 40 Meilen Geschwindigkeit unterwegs war, war eine WAND.
Es geschah exakt um 8 Uhr 46 : Der U-Bahn-Triebwagen fuhr ungebremst und in selbstmörderischer Absicht von Driver Leslie Newson mit vollem Tempo in die Wand.

London-Tube Schienen

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Der Fahrer Leslie Newson und weitere 42 Personen waren auf der Stelle tot, 87 Personen wurden schwer verletzt, der 18-jährige Guard R P. Harris wurde nur leicht verletzt, da er im hintersten Teil des Triebwagens, im unbenutzten Führerhaus mit seiner Zeitung an der Wand lehnte und den Sportteil von "The SUN" las.
Sie ahnen es : Der U-Bahn-Triebwagen "Train 272" wäre genau MEINE U-Bahn gewesen, mit der ich in MOORGATE angekommen wäre, 14 min vor 9 Uhr, wenn ich die TUBE genommen hätte !
Danke, oh LORD !
Aber mein persönlicher SCHUTZENGEL, der Abgesandte des großen Unerforschlichen, hat es ausgerechnet an diesem denkwürdigen Freitag-Morgen derart "regnen lassen", dass ich dank meiner Eitelkeit und Bequemlichkeit das TAXI nahm.
Meine Conclusio damals war : SPARSAMKEIT kann TÖDLICH sein !

Headline der Daily Mail

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Als ich etwa 3 Minuten vor 9 Uhr in meinem Taxi in Moorgate ankam, waren bereits unzählige Rettungs- und Feuerwehrwagen im Anmarsch. Überall blinkten schon die Blaulichter, Menschenmassen drängten aus und in die U-Bahnstation MOORGATE. Chaos pur.
Ich betrat das Britannic-House, mich mühsam durch die Menschenmenge drängend. Im Büro von BP war die Nachricht von dieser unfassbaren Tragödie bereits bei der gesamten Belegschaft angekommen. An Unterricht oder Arbeit war nicht zu denken. Die Dame am Empfang von BP telefonierte kurz mit dem Management, - und schickte mich gleich wieder nach Hause. Alles abgesagt.

London Moorgate-Station mit Gedenktafel

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Es regnete immer noch in Strömen, die Blau- und Rotlichter der Rettungswagen spiegelten sich auf der nassen Strasse, über Lautsprecher wurde dazu aufgerufen die Ruhe zu bewahren und sich zu enfernen, wenn man nicht zu den Rettungskräften oder der Exekutive gehörte. Ein paar Meter weiter betrat ich ein fast leeres Pub, da alle auf die Strasse geeilt waren. Ich setzte mich. Nach und nach kamen die Menschen wieder zurück, - und mit ihnen die ersten, vereinzelten Nachrichten. Schnell war von 100 Toten die Rede. Mir standen die Haare zu Berge.
UUUUUUUUUUUUUUUuuuuuuiiihhhhhh, - das war knapp !

Moorgate tube disaster - Memorial

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Ich versuchte mich zu beruhigen. Zum ersten Mal in meinem Leben bestellte ich mir einen Whisky. Medien-Leute stürmten das Lokal, wollten telefonieren, befragten die Gäste, ob und was sie wüßten, und suchten Betroffene, die jemanden erwartet hatten, und der nicht gekommen war.
Mir wurde schlecht. Erstens von dem Whisky, den ich auf fast leeren Magen nicht vertrug, und auch vom Gedanken, dass ich nur ganz knapp dem Tod entronnen war.
Mir wurde wiedereinmal schlagartig bewußt : Gott liebt mich !

London Pub

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Warum hat es geregnet ? Gerade heute ! Warum kam das Taxi so schnell, sodass ich nicht in Versuchung kam, doch noch zu Fuß zum "Earl's-Court" zu laufen ? Warum hatte ich für diesen Tag mein nobelstes Outfit gewählt, das ich dem Regen auf keinen Fall aussetzen wollte ? Warum nur, warum ? Fragen über Fragen . . .

Hugo auf der Suche nach einem Taxi

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Eigentlich wollte ich meine Head-Mistress Mrs.Rieser anrufen, aber es war völlig unmöglich an ein Telefon heranzukommen, weder im Lokal noch außerhalb an einer der Telefonzellen.
Ich verließ das Pub, versuchte mich und meine Aktentasche mit dem Regenschirm zu schützen, bog um ein paar Ecken und fand nach einigem Gewinke ein freies Taxi, das mich Richtung Oxford-Street zur BERLITZ-Zentrale brachte.
Ich stieg aus dem Taxi und fuhr mit dem Lift hoch zu unserer Sprachschule im 5.Stock. Längst hatte sich das tragische U-Bahn-Unglück in ganz London und natürlich auch bei BERLITZ verbreitet. Es war noch immer von über 100 Toten und Verletzten die Rede. Das Entsetzen war allgegenwärtig.

Head-Mistress Rieser + Mrs. Hoffer

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Ich wankte ins Büro von Mrs.Rieser, meiner Chefin, und als ich eintrat, sprang sie auf, fiel mir um den Hals und küßte mich rechts und links auf die Wange: "HUGO ! Sie LEBEN ! Ein WUNDER ! Unsere Gebete wurden erhört !" Ihre Freundin und Stellvertreterin Mrs.Hoffer umarmte mich ebenfalls und sagte : "Hugo, das Schicksal war Ihnen gnädig ! Dank dem Allmächtigen. Komm, setzen Sie sich, - wie geht es Ihnen ?"
Ich sank auf einen Sessel und dann liefen mir plötzlich die Tränen über die Wangen. Es war der Blick einer alten, weisen Seherin, der mich mitten ins Herz traf, als Frau Hoffer mein Haupt in ihre Hände nahm, und zu Mrs.Rieser sagte : "Rosa, siehst Du nicht ? Hugo hat einen schweren Schock erlitten ! Schick ihn sofort nach Hause !" - "Ja, ja, jetzt seh ich's auch, Hannah ! Hugo, hören Sie her, Sie fahren jetzt sofort nach Hause, legen sich nieder und nehmen sich eine Woche frei. Wir können ohne weiteres ein paar Tage auf Sie verzichten ! Machen Sie sich keine Sorgen, ich regel das."
Ich weinte bitterlich. Zu tief saß mir das Erlebte noch in den Knochen. Die beiden Damen saßen links und rechts von mir, streichelten meine Hand, und versuchten mich zu beruhigen.
Eruptiv, wie bei einem Vulkanausbruch, war mir gerade bewußt geworden, dass ich tatsächlich nur knapp dem Tod entronnen war, und wenn das Wetter besser gewesen wäre, dann wäre ich jetzt wahrscheinlich tot. Rosa und Hannah legten ihre Köpfe an meine Schulter und sprachen ein jiddisches Gebet und das monotone Murmeln der Verse hob mich plötzlich auf eine höhere emotionale Ebene. Die Farben im Raum veränderten sich. Alles was rosa, hellviolett und türkisgrün war begann zu leuchten, und alles was braun, beige, gelb, rot oder schwarz war, verlor an Intensität und Sättigung und wurde grau. Ich nahm diese sich steigernde, psychische Veränderung zwar wahr, wußte aber nicht, dass ich gerade dabei war in eine veritable Psychose abzuheben.
Langsam stand ich auf, verabschiedete mich wortlos von den beiden Damen und schloss die Tür hinter mir. Eine mystische Gewissheit bemächtigte sich meines Geistes, eine höhere Instanz ergriff von mir Besitz, und plötzlich wußte ich, dass ich Rosa und Hannah, die stabilen Stützen meines englischen Lebens, niemals wiedersehen würde.
Auf der Strasse war alles verändert, eine Art Paranoia erfaßte mich. Alle Menschen schienen mich anzusehen und mir schweigend mit geheimen Zeichen seltsame Botschaften senden zu wollen.
Eine tiefe Einsamkeit und Unbehaustheit überkam mich. Ich erschrak bis ins Innerste. Die Gesichter der Passanten verschwammen und verformten sich, ihre Gesten wirkten bedrohlich, und ich wollte nur noch fort, fort, fort.

London Tube 1975

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Meiner Panik gehorchend, geradezu flüchtend, betrat ich das nächste Geschäft und setzte mich auf einen Sessel. Es war ein nobler Shoe-Store, mit unregelmäßigen schwarzen und weißen Fliesen am Boden und einer dezenten warmen Beleuchtung, die im krassen Gegensatz zum irritierend kalten Fußboden stand.
Eine Verkäuferin näherte sich mir und fragte : "May I help you ?" Sie war etwas pummelig, klein mit festen Beinen und einem kurzen, dicken Hals. Und die Brille, die sie trug, hatte so dicke Gläser, dass ihre Pupillen wie Fischaugen wirkten. Ihre Stimme jedoch war von einer Wärme und Sanftheit, wie ich sie nur von jenen auserwählten Krankenschwestern kenne, die sterbende Kinder auf ihrem letzten Weg begleiten. Sie sah mich an.

Was wollte ich ? Warum war ich hier ? Ich wußte es nicht.
Plötzlich flüsterte eine fremde Stimme in meinem Kopf : "Die große Verwandlung ist da ! Schwarz ist jetzt weiß, und hell ist dunkel und umgekehrt. Achte darauf, denn jeder deiner Schritte ist von größter Bedeutung !"
Die Wände begannen sich zu biegen, die Lampen verformten sich, der Boden schwankte, und ich mußte mich festhalten, um nicht vom Stuhl zu fallen.

"Schuh-Verkäuferin"
Aquarell und Zeichnung von Hugo Heikenwaelder

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Zur Verkäuferin sagte ich fragend : "Haben Sie auch Socken ? Schwarze und weisse ?" - "Ja, haben wir, einen Moment, ich bring Sie Ihnen." - Sie verschwand und kam nach 2 Minuten mit den Socken wieder. Ich zog mir die Schuhe aus und zog mir auf dem linken Fuß einen weissen Socken an und auf dem rechten einen schwarzen. Dann fragte ich die Dame, ob sie eine Schere für mich hätte. Sie holte eine und gab sie mir. Ich schnitt von den beiden verbliebenen, unterschiedlichen Socken jeweils die Zehen ab und stülpte den schwarzen Socken über meine linke Hand und den weissen über meine rechte Hand und schob sie nach hinten bis zum Handgelenk. Eine innere Stimme gab mir diese seltsame Anweisung, der ich unverzüglich gehorchte. Ich holte meine Brieftasche hervor und gab der verwunderten Verkäuferin einen 10-Pfund-Schein. Sie ging zur Kasse und brachte mir das Restgeld. Dann beugte Sie sich zu mir herunter und fragte leise : "Kann ich etwas für sie tun ? Sie wirken etwas müde. Soll ich Ihnen ein Taxi rufen ?" - "Ja", sagte ich, "das wäre sehr freundlich von Ihnen."
Sie ging zum Telefon und rief ein Taxi. Danach kam sie wieder zu mir zurück, legte ihre Hand auf meine Schulter, beugte sich zu mir herunter und sah mir geradewegs in die Augen. Ihr Gesicht verwandelte sich in diesem Augenblick wie in einer göttlichen Epiphanie in das Antlitz einer überirdischen Raffael-Madonna und unter den Tränen meiner Ergriffenheit sagte ich zu ihr : "Ich bin gekommen, um Dir zu sagen, dass Du schön bist, unendlich schön, - und der Allmächtige hat Dich und Deine Schönheit wahrgenommen." - Sie sank nieder auf den Boden und fing hemmungslos zu schluchzen an : "Noch nie, noch nie im Leben, hat mir jemand etwas so Schönes gesagt ! Ich danke Ihnen !"
"Und ich habe Dir noch etwas zu sagen : Vergiß all die Tränen, die Du wegen Deines Äußeren vergossen hast. Das Strahlen Deiner Seele ist einer Heiligen würdig !"

Raffael-Madonna

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Ich erhob mich langsam, um das Geschäft zu verlassen, und achtete darauf, dass ich mich dabei nur auf den weissen Fliesen bewegte und den schwarzen aus dem Wege ging. Am Ausgang drehte ich mich noch einmal um, winkte der immer noch am Boden sitzenden und weinenden Verkäuferin zu, und machte dabei eine segnende Handbewegung in Form eines Kreuzes.
Dann bestieg ich das Taxi, das gerade angekommen war.
Die Magie hatte aber noch nicht ihren Höhepunkt erreicht.
Der Taxifahrer sah mich an und fragte : "Philbeach Gardens 92 ?" Mich traf der Schlag ! Wieso kannte dieser Mensch meine Wohnadresse ? Ich war sicher, dass soeben irgendwelche übernatürlichen Kräfte diese Erde übernommen hätten, und dass auch ich nun ein Zahnrad in dieser neuen, kosmischen Mechanik sei. Der Taxi-Fahrer war gut gelaunt und er erzählte mir, als er mein völlig erstauntes Gesicht sah, dass er ein halber Autist sei, sich alle Gesichter und Adressen merken würde, die er jemals gefahren habe, und dass er mich vor 3 Monaten schon einmal von meiner Wohnadresse abgeholt hätte. Ich schwieg. War dies alles ein Traum ? Ein guter Traum ? Ein böser Traum ?
Meine Verwirrung war total. War ich in einer Zwischenwelt gelandet ? Oder war ich tatsächlich in eine andere, neue Welt versetzt worden ?
Ich bezahlte, stieg aus und betrat meine Wohnung. Ich legte mich auf's Bett und schloss die Augen.
Es war mir alles zuviel. Was ging hier vor ? Hatte ich den Verstand verloren ? Entspannung war angesagt.
Ich lag vielleicht eine halbe Stunde rücklings auf dem Bett, als plötzlich das Telefon läutete. Ich hob ab. Es war meine Mutter, die mich aus Dornbirn im fernen London anrief. Kaum hörte ich die vertraute Stimme von Mama, beruhigte sich meine Seele und mein Geist auf der Stelle.

"Telefon" - Aquarell und Zeichnung von Hugo Heikenwaelder

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Ich glaube, die Verbindung von Müttern zu ihren Söhnen birgt ein großes Geheimnis, es besteht eine besondere Tiefe in solchen Beziehungen, die wohl ewig und archaisch sind, wenn das Fundament die Liebe ist. 1975 war es nicht üblich lange Telefonate mit dem Ausland zu führen, höchtens zu besonderen Anlässen wie Geburtstag oder Weihnachten, wenn man nicht zu Hause sein konnte.
Meine Mutter fragte mich, wie es mir gehe, und ich erzählte ihr von der U-Bahn-Katastrophe von heute morgen, und dass ich auch den Tod hätte finden können.
Ihre Stimme hatte schon immer etwas sehr Beruhigendes und ihre Worte wirkten bei mir wie ein VALIUM, das einen wieder herunterkommen läßt, auf die Ebene der Wirklichkeit.
Dann, nach einer kleinen Pause, sagte meine Mutter plötzlich : "Huxi, ich muss Dir etwas Trauriges sagen : Heute nacht ist Oma gestorben. Vati hat sie heute früh um 9 tot in ihrem Bett gefunden. Sie ist einfach eingeschlafen. Mit 89 muss man leider damit rechnen. Gestern abend war sie zwar schon sehr müde, aber das Achtel Rotwein hat ihr noch geschmeckt. Bitte komm nach Hause, sie hat Dich sehr geliebt !"
Mir wurde ganz schwummerlich. War das Zufall ? Oder hatte sie eine Ahnung ? Gab sie vielleicht gar ihr Leben für das meine ?
Es gibt so viel Unerklärliches zwischen Himmel und Erde, dass es einem den Atem raubt, wenn man ihm zu nahe kommt.

Meine Eltern

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Plötzlich war mir hier alles fremd. England, London, die Menschen, die verdammte U-Bahn, - einfach alles.
Schluss. Aus. Ende. - Ich hatte genug. Ich wollte nur noch Eines : Weg von hier - nach Hause !
Eine halbe Stunde nach dem Telefonat rief ich am Flughafen in Heathrow an und buchte für den nächsten Tag, Samstag den 1. März 1975, eine Linien-Flug nach Zürich.

Mit der SWISSAIR nach Hause

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Ich packte alle meine Sachen in meine 2 Koffer, hinterlegte meinen Wohnungsschlüssel bei der Hausmeisterin, und flog Richtung Heimat. Mein Vater holte mich in Zürich ab und wir fuhren gemeinsam nach Dornbirn in mein Elternhaus.
Ein paar Tage später begruben wir unsere Oma Maria Heikenwälder,*1886 +1975. Ich habe England seitdem nicht mehr betreten.

Grabstein Oma

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Toskana

"Toskana" - Erinnerung an eine Reise in die Toskana.
2 Aquarelle von Hugo Heikenwaelder

Als ich am Mittwoch, dem 1.September 1993, mein malerisches Tagewerk gegen 16 Uhr beendete, wußte ich nicht, dass dieser azurblaue Spätsommertag in einer Katastrophe enden sollte. Eine Katastrophe, an der ich selbst die alleinge Schuld trug.
Mein Leben schien im Herbst 93 aus meiner persönlichen egomanischen Sicht perfekt zu sein : Ich war 44 Jahre alt, ein erfolgreicher Maler im Herzen der Kunst-Weltstadt Wien, ein Dutzend Kunden kaufte absolut alles, was ich produzierte, zum Teil sogar Werke, die noch gar nicht durchgetrocknet und gefirnißt waren. Ich hatte eine kurvenreiche 30-jährige Rothaarige mit 1000 Sommersprossen als Hauptfrau an meiner Seite, und eine 24-jährige Studentin als Zweit-Frau, die mich und meine Werke managte. Für mich war alles normal.

Die schöne BURGI mit Blumen - Porzellan-Malerin bei Augarten
Aquarell von Hugo Heikenwälder

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Die Lady mit den roten Haaren war nicht nur optisch eine echte "Granate", sie war auch außerordentlich begabt was Literatur und Malerei betraf, blitzgescheit und von einem tiefen und abgründigen schwarzen Humor beseelt, der all ihren klugen und originellen Kommentaren einen anarchischen Charakter verlieh, der einen alten Bohémien wie mich entzückte. Unser beider Sprachgewalt war eine zusätzliche starke Verbindung, die wir täglich zelebrierten, und auch unsere Katzenliebe zu unserem roten Kater SCHNURRO verband unsere lebenshungrigen und leidenschaftlichen Seelen.

Unser Kater SCHNURRO

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Was meine andere Geliebte, die studentische Managerin betraf, so hatte sie eine gefühlte Dauer-Körper-Temparatur von 37,7°, was mich erregte, wenn sie auch nur zufällig an mir vorbeiging. Letztere wußte natürlich von meiner Rothaarigen, mit der sie damals befreundet war, aber diese wiederum wußte nicht, dass ich seit über 2 Jahren mit derselben nicht nur den Tisch, sondern auch immer öfter das Bett teilte.
Uns so kam es, wie es kommen mußte : Ich hatte im Geheimen von meiner Studentin einen unscheinbaren Akt-Torso gemalt, den ich natürlich vor meiner Rothaarigen verbarg, um nicht unnötig "die Hunde aufzuwecken". Diese fand jedoch an diesem ominösen 1. September das kleine Gemälde in meinem Atelier, und erkannte sofort, dank ihres unbestechlichen und genauen Auges, dass es sich nur um ihre Freundin, unsere Managerin handeln konnte.

Kleines Ölgemälde meiner studentischen Managerin - AKT-Torso

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Als ich um 18 Uhr aus dem nahen Café nach Hause kam, stand emotional alles in Flammen. Meine rothaarige Hauptfrau hatte ihre Freundin gerade aus meiner Wohnung geworfen und war gerade dabei ihre Koffer zu packen, um mich für immer zu verlassen, - was sie auch tat. Es war das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe.
Da stand ich nun, von einer Sekunde auf die andere, verlassen von beiden Frauen, die ich beide liebte, verehrte, vergötterte. Ich fiel in ein derart tiefes seelisches Loch, dass ich noch in der Nacht beschloss, mir am nächsten Tag das Leben zu nehmen.
Von einem Moment auf den anderen hatte sich mein vibrierendes Dasein in völlige Asche verwandelt, ein Abgrund des Grauens tat sich auf, und der durch die Trennungen hervorgerufene Schmerz war so groß, sodass mir nur noch der Tod als einzige Lösung etwas Linderung versprach. Ich war fest entschlossen, meinem Leben ein Ende zu bereiten. Was sollte noch groß kommen ? Ich hatte bereits alles erreicht, was ich mir vorgenommen hatte. Ich hatte über 100 Gemälde geschaffen, stand mit 35 Jahren schon im Lexikon der Malerei (des 20.Jahrhunderts), war von der Damenwelt hofiert und getragen worden, auf den diversen Kunstmessen und Ausstellungen hatte ich das Rampenlicht genießen können, und was mich erwartete waren höchstens nur mehr Wiederholungen von Wiederholungen.
Also Schluß damit, lieber ein Ende mit Schrecken, als die Banalität des immer wiederkehrenden Gleichen.

Zeichnung "TOD" (1993) - von Hugo Heikenwälder

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Aber da ich in manchen Augenblicken zur Sentimentalität neige, entschloß ich mich, unter tränenreicher Selbst-Beweinung, mich noch von einigen meiner wenigen, wichtigen Freunde persönlich zu verabschieden. Per Telefon. Als ich meinen Psychiater- und Neurologenfreund Rainer anrief, der im AKH-Wien eine eigene Station als Primarius innehatte, erkannte dieser sofort die Gefahr des Augenblicks, befahl mir, auf der Stelle ein Taxi zu nehmen, und zu ihm in die Klinik zu kommen, - er hätte ein Bett für mich, er würde mich therapieren, und wenn es nichts hülfe, könnte ich mich ja danach immer noch umbringen.
Nun gut, ich tat wie mir geheißen, fuhr zu Rainer ins AKH, erzählte ihm mein seelisches Desaster, und es gelang ihm innerhalb einer Stunde mich zum Bleiben zu bewegen und einer 10-tägigen psychiatrischen Behandlung zuzustimmen, die mich wieder ins Leben und zur Malerei zurückbringen sollte. Bereits nach 3 Tagen war ich einigermaßen über den Berg und wollte das AKH verlassen, doch Rainer bestand auf 1 Woche Verlängerung und insgsamt 10 Stunden Therapie.
Rainer war und ist ein psychiatrisches Schwergewicht und kümmert sich normalerweise nur um wirklich KRANKE, und nicht um frustrierte, sexuell unterforderte Hausfrauen oder überzüchtetete, lebensmüde Künstlerseelen wie mich, die sich in ihrer Wohlstands-Verwahrlosung und aus überzogenem Selbstmitleid in einen frühen Tod flüchten wollen. Während der 10-stündigen Therapie sprachen wir natürlich auch viel über Frauen, über deren Wichtigkeit für meine tägliche künstlerische Inspiration, und auch über die Attraktivität des Weiblichen an sich, was sie ausmacht und wie man sie definiert.
Und er erklärte mir etwas, auf das ich bisher kein Augenmerk gelegt hatte : Die Taillen-Hüft-Ratio !
"Sorry, lieber Rainer,- was soll das sein, - die Taillen-Hüft-Ratio ?"
"Also, die Taillen-Hüft-Ratio beschreibt jene Kurve von der Taille einer Frau bis zu ihrer Hüfte, und je nachdem, wie diese geschwungene Linie ausgebildet ist, desto attraktiver erscheint einem Mann ein weibliches Wesen. Und ist diese Kurve "schön", oder gar "vollendet", so ist sie die herausragende Komponente zur Bestimmung des Sex-Appeals einer Frau."
Wieder was gelernt !
Nach 11 Tagen, am Montag den 13.September 93, entließ mich Rainer endlich als geheilt in mein einsames Zuhause, und bat mich, ihm laufend von meinem Befinden zu berichten und ihn sofort anzurufen, sollte sich mein Zustand verschlechtern.
Ans Malen war nicht zu denken, zu tief saß mir immer noch der Schock des Verlassen-Worden-Seins in den Knochen. Also beschloß ich einige belanglose Dinge zu tun, die mich ablenkten und mich ins Handeln zurückbringen sollten.
Ich erinnerte mich an eine sehr, sehr schöne Onyx-Vase, die ich vor dem Zusammenbruch in einem kleinen Geschäft in der Barnabitengasse gesehen hatte, und von der ich dachte, sie könnte meiner Mutter gefallen und sie wäre ein passendes Weihnachtsgeschenk.

Onyx-Vase
Weihnachts-Geschenk für meine Mutter

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Ich spazierte also 2 Tage später, am 15.September die Zieglergasse in Wien hinunter bis zur Mariahilferstrasse und wollte dann von dort rechts in die Barnabitengasse einbiegen.
In diesem Augenblick sah ich sie : die perfekte Taillen-Hüft-Ratio ! Sie ging direkt vor mir, eine sehr gut gekleidete, blonde Dame in einem engen, offensichtlich maßgeschneiderten Kleid mit Blumenmuster, das diese wichtige geschwungene Linie zwischen Taille und Hüfte so signifikant hervorhob, dass es mir (wieder mal) den Atem raubte. Es war um die Mittagszeit, was allerdings für meinen Jagdtrieb niemals eine Rolle spielte, und da ich ohnehin von allen guten weiblichen Geistern verlassen war, entschloß ich mich die Lady anzusprechen.
Wer ein echter Aufreißer, ein wilder und gefährlicher "Strassenkater" sein will, der muss dies in freier Wildbahn, im öffentlichen Raum, auf den zahllosen Plätzen, Strassen und Parks seiner Heimatstadt beweisen, und darf sich nicht nur in bürgerlichen Zirkeln, Bällen und Veranstaltungen auf die Suche begeben, die nur dazu erfunden wurden, dass sich die ensprechenden Paar-Bildungen ergeben können.
Die Strasse war wahrlich mein Element, das natürlichste aller Biotope ! Dutzendfach hatte ich bewiesen, dass ich auf diesem Gebiete der Meister aller Klassen bin, und nicht wenige meiner Freunde, die zwar nicht gerade schüchtern waren, aber dann doch oft nicht den Mut hatten, eine schöne Unbekannte einfach so anzusprechen, vertrauten auf mich, dass ich den ersten Schritt tat, und sie sich dann um die oft vielfältige Beute kümmern konnten.
Doch diesmal war ich für mich selbst auf der Jagd. Gesagt getan !
"Liebe Dame, erlauben Sie mir ausnahmsweise, dass ich Sie einfach so auf offener Strasse anspreche, aber ich muss Ihnen wirklich 2 sehr wichtige Dinge sagen, wenn Sie kurz erlauben !" Sie sah mich forschend an. Ich bin 1 m 87 groß, immer originell und gut gekleidet, in teuren Bally-Stiefeletten, mit perfekt sitzenden Armani-Jeans, einem aubergine-farbenen Samt-Sakko und meinem betörendsten Lächeln auf den Lippen, sodass es, rein äußerlich gesehen, keinen Anlass gab, mir einen Korb zu geben. Ich ging langsam schlendernd neben ihr her und erklärte ihr, was mir mein Arzt Rainer erst vor wenigen Tagen erklärt hatte : "Wissen Sie, Madame, jene verführerische Linie, die man Taillen-Hüft-Ratio nennt, das ist die geschwungene Linie zwischen Taille und Hüfte, die bei Ihnen so hervorstechend und unübersehbar ausgeprägt ist, hab ich noch selten in so einer Perfektion erleben dürfen, wie bei Ihnen, als Sie vor mir gingen, und ich Sie bewundern durfte. Ich danke dem Unerforschlichen, dass ich solch seltene Momente vollendeter Schönheit erleben darf !" Sie lächelte leise und ich glaube, sie dachte sich : " Na, der Typ hat wirklich seinen eigenen Schmäh!"- Jeder erfahrene Jäger weiß natürlich, dass man in so einem Augenblick nicht locker lassen darf, und ohne Unterbrechung sein Ziel weiter verfolgen muss.
Ich fuhr also fort : "Was Sie nicht wissen, und was auch mir selbst noch nie passiert ist, ist Folgendes : Den Stoff IHRES Kleides, dieses wunderbare Blumenmuster, das Ihnen steht, wie niemandem sonst, habe ICH persönlich entworfen ! Jahrelang war ich Designer für eine Vorarlberger Textilfirma, - ich stamme ursprünglich von dort -, unzählige Muster, Farben und Formen habe ich entworfen, aber noch NIE ist mir eines meiner Designs im wirklichen Leben AUF DER STRASSE begegnet, - und da dieser Augenblick auch für mich einzigartig ist, habe ich es gewagt Sie anzusprechen ! Verzeihen Sie mir bitte meine spontane Annäherung, aber sind es nicht jene seltenen, überraschenden Momente, die dem Leben seine Einzigartigkeit verleihen ?"

Stoff-Design "BLÜTENPRACHT" - Ölskizze von Hugo Heikenwälder

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Sie ahnen es ! Es hat funktioniert ! (Damals 1993, - heute 2023, keine Chance.) Natürlich hatte ich explizit DIESEN Stoff NICHT entworfen, aber etliche andere ähnliche. Sigi Hämmerle, ein bekannter dornbirner Hemden- und Blusenschneider, mit dem ich lange Jahre befreundet war, hatte mir einige Aufträge besorgt, aber da ich letztendlich KUNSTMALER und nicht DESIGNER werden wollte, hatte ich bald aufgegeben, diese Kreativ-Richtung zu verfolgen. Aber für eine erfolgreiche Anmache war mir zu diesem Zeitpunkt keine Lüge zu schändlich.
Wir landeten in einem Café gleich neben der Kirche an der Ecke Mariahilferstrasse / Barnabitengasse. Nachdem ich mich ausgiebig vorgestellt hatte, fragte ich sie nach ihrem Namen, und was sie so mache.
"Mein Name ist Luzia Lombardi, und ich bin Blumenmalerin bei Augarten-Porzellan."
"WOW," sagte ich, "was für ein unglaublich schöner Name ! Unfassbar, - und das hier in Wien !"
"Nein," sagte sie, "das ist kein Zufall, das ist eine eigene Geschichte !"
Ich blickte sie fragend an : "Wissen Sie, lieber Hugo, mein Mädchenname ist ein wahrer Albtraum ! Geboren bin ich, und jetzt halten Sie sich bitte fest, als NOTBURGA NEUNTEUFEL.
Doch mit 20 Jahren machte ich meine erste Reise auf einem Kreuzfahrtsschiff im Mittelmeer. Dort, auf dem Schiff, traf ich einen jungen Römer mit dem Namen Luca Lombardi. Ich verliebte mich auf der Stelle in ihn, - und nach meiner Rückkehr und 100 Telefonaten nach Rom heirateten wir hier in Wien und unser Standesbeamter hatte ein Einsehen, dass ich nicht NOTBURGA LOMBARDI heißen wollte. Er drückte ein Auge zu und schrieb in seine Unterlagen das von mir gewünschte Luzia Lombardi, und seitdem bin ich meinen altvatrischen Namen Notburga Neunteufel Gott sei Dank für immer los. Leider war mein lieber Ehemann Luca ein Total-Flop, er war ein ziemlich fauler Elektriker, zog nach unserer Hochzeit gleich zu mir nach Wien, und war der Meinung, es genüge, wenn ICH arbeite, - und ER deutsch lerne. Zudem war er ein unverbesserlicher Schürzenjäger, - und nachdem ich ihn mit meiner besten Freundin in MEINEM Bett erwischte, warf ich beide raus, - und die Sache nahm ein schnelles Ende. Wenigstens ist mir der schöne Name geblieben. Aber wenn Du es gern österreichisch hast, darfst Du mich auch BURGI nennen, die Abkürzung von Notburga, einer tiroler Volksheiligen (um 1265–1313) !" "Unglaublich," sagte ich, "was für eine Geschichte ! Ich bin echt platt".

Um das Herz einer schönen 27-jährigen Dame zu erobern und dauerhaft ihre Seele zu berühren, bedarf es der Einsicht des Mannes in die Psyche einer Frau. Der Mensch ist in erster Linie ein ästhetisches Wesen, und wenn zwei Suchende einander zum ersten Mal begegnen, so entscheiden nur wenige Sekunden über Sympathie oder Antipathie, über Anziehung oder Ablehnung, über ein langes JA oder ein kurzes NEIN.
Mädchen der gehobenen Mittelschicht wurden schon zu allen Zeiten dazu erzogen, ja geradezu akribisch darauf vorbereitet, in allen möglichen gesellschaftlichen Situationen das Richtige, sprich : das Angemessene zu tun. Und das vorallem mit jener außerordentlichen Natürlichkeit darzustellen, dass es den Anschein hat, es sei das Einfachste der Welt, auch wenn jeder weiß : Gute Manieren und souveränes Auftreten sind nicht eine Frage von Tagen und Wochen, sondern von Jahren und Jahrzehnten. Und ja, und es ist die Tragik ganzer Länder und Völker immer unpassend, eingezwängt und dilettantisch zu erscheinen, im Gegensatz zu jenen, denen die Eleganz und der Adel des Äußeren angeboren zu sein scheint. Vergleichen sie das jahrzehntelange unnachahmliche Auftreten der ehemaligen englischen Königin Elisabeth mit dem durch und durch vulgären Erscheinungsbild einer abgehalfterten Angela Merkel ! Sie ist das menschgewordene ästhetische Grauen. Jeder kennt ihre seltsamen, immer gleichen Mao-Anzüge, und selbst ihre plumpen Auftritte in Bayreuth, in ihren schlecht geschnittenen Abendkleidern, von schöpferischen Analphabethen entworfen und zusammengenäht, erzeugen auch bei weniger modisch Erfahrenen einen spontanen Brechreiz, der zum unmittelbaren Wegschauen, Abwenden und Abschalten zwingt. Und in Kate, der Frau des Kronprinzen William, hat die QUEEN eine würdige Nachfolgerin in Sachen Eleganz, Natürlichkeit, Mode-Geschmack und Würde gefunden, die es in deutschen Landen niemals geben wird. Aber lassen wir das, es ist zu deprimierend, - das Styling der Deutschen, der Schweizer und der österreichischen Polit-Elite ist von einer derart erbärmlichen Durchschnittlichkeit, das jedes französische Küchenmädchen am Samstagabend in der Disco als eine Perle modischer Kreativität erscheinen läßt.
"It's all about styling."

Queen ELIZABETH - Angela Merkel

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Doch zurück zu meiner Burgi und mir, zu diesem unscheinbaren Mittwoch, im September, zu Mittag, in Wien.
Erlebnishungrige junge Damen sind zu nahe 100 % für eine bestimmte Sache immer zu begeistern : für's SHOPPING !
Also bat ich meine schöne Burgi, mich doch in die naheliegende Barnabitengasse 8 zu begleiten, dem ehemaligen Stelzhammer-Haus, wo ich jene außerordentliche Onyx-Vase gesehen hatte, die meiner Mutter wohl gefallen würde. Ästhetische Gemeinsamkeiten von Mann und Frau verbinden ungemein, und beim ersten Kennenlernen werden diese parallellen Sichtweisen des als "schön" Empfundenen als erstes überprüft, oft noch vor intellektuellen Unterschieden oder ökonomischen Divergenzen.
Die Vase war noch da, Burgi war davon ebenfalls begeistert, - und ich bezahlte mit der Geste eines geübten Lebemannes die üppigen 3000 Schillinge dafür, ohne mit der Wimper zu zucken, im sicheren Wissen, dass das Geld in diesem gemeinsamen Kunstwerk von Mensch und Natur wahrlich gut angelegt ist.

Onyxvase - Seitenansicht

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Überdurchschnittlich gutaussehende Damen haben auch noch oft ein weiteres ganz eigenes Problem. Sie werden weitaus weniger oft angesprochen als das pummelige Lieschen Müller, das im Supermarkt die Regale putzt. In ihrer Schürze über dem zerknitterten Kleid und ihrer labbrigen Unterhose ist sie für jeden LKW-Fahrer ein mögliches Ziel seiner Anmache, und er läßt sich ungeniert zu biederen Sprüchen und Kommentaren hinreißen, die er bei einer eleganten, femininen Erscheinung niemals wagen würde. Durchschnittliche Mädels der eher unteren gesellschaftlichen Schichten haben oft einen ganzen Rattenschwanz an kraftstrotzenden, proletarischen Verehrern hinter sich, wo hingegen das herausgeputzte Töchterchen des Bankdirektors sich mit ein, zwei völlig verweichlichten Bubis abgeben muss, die nicht einmal ihren Tennisschläger richtig halten können. Das führt zu Langeweile und Frustrationen beim weiblichen bürgerlichen Nachwuchs, der sich natürlich etwas Anderes wünscht als junge, blasse und angepaßte, woke Nasenbohrer. All dies wissend, und meiner Erscheinung, meines Auftretens und meiner persönlichen Wirkung auf das andere Geschlecht bewußt, deutete ich an, dass ich nicht nur großzügig gegenüber meiner Mutter und mir selbst bin, sondern auch gegenüber einer möglichen Geliebten. In jedem schönen Mädel in Wien schlummert eine kleine Prinzessin, die herumgetragen werden will, und wenn man es versteht, diesen geheimen Knopf zu drücken, öffnen sich nicht nur die Seelen und Herzen der jungen Damen, sondern auch die Blusen und Büstenhalter.
Burgi war tatsächlich solo. Seit ihrer gescheiterten, kurzen Ehe, hatte sie zwar einige mutlose Verehrer um sich versammelt, aber natürlich war sie inzwischen alt und erfahren genug, um zu erkennen, dass all diese lauwarmen Gestalten sie auf Dauer niemals glücklich machen konnten. Sie wollte brennen, lichterloh, vor Liebe, Lust und Begierde.
Das war mein Moment !

"Stelzhammer-Haus | Barnabitengasse 8 | Wien VI

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Der Zufall hilft oft dem Glücklichen : Burgi erwähnte im Gespräch, dass am kommenden Montag ein 14-tägiger ungeplanter Urlaub beginnen würde, der sie für 2 Wochen von ihren kleinen, barocken Rosen, gestreuten Kornblumen und hellblauen Vergissmeinnicht erlösen würde, die sie seit Jahren tausendfach und in immer neuen ornamentalen Versionen auf ihr edles Augarten-Porzellan malte. (Augarten-Kaffeetasse + Untertasse, handbemalt : 250 € !)
Erfolg ist auch immer eine Frage des Timings. Mit der Selbstverständlichkeit eines alten Verführers ließ ich anklingen, dass ich genau nächste Woche eine kleine Bildungsreise nach Florenz, ins Herz der Toskana, planen würde, die mich zu neuen Werken inspirieren sollte, und dass ich mich glücklich schätzen würde, wenn sie in Erwägung zöge, mich eventuell dabei zu begleiten.
Wenn junge Damen voller unbestimmter Liebes-Sehnsucht die Worte Florenz und Toskana hören, dann entstehen in ihren Köpfen Bilder von romantischen Dinners bei Kerzenschein und edlen Weinen, von urigen Betten in noblen rustikalen Hotels, von Sonnenuntergängen am lauschigen Meeresstrand und weißen Muscheln im weichem Sand, der spielend durch ihre Hände fließt. All diese Klischees von goldenen Feldern mit grünen Zypressen gilt es in den Seelen der Damen fest zu verankern und sie hoffen zu lassen, dass dies alles Wirklichkeit werden würde, und zwar nicht irgendwann in einer fernen Zukunft, sondern bald, schon nächste Woche, und dass genau jetzt die Zeit ist romantische Erlebnisse und Erinnerungen zu generieren, denn dies ist das Einzige, was am Ende aller Tage übrigbleibt. Auch in jungen Psychen gibt es manchmal die Ahnung einer späten Einsamkeit, die es mit wirklich Erlebtem rechtzeitig zu füllen gilt.

Romantische TOSKANA

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Und schon war es um sie geschehen. Ich hatte sie erwischt. Denn auch in ihr schlummerte eine diffuse Traumwelt, die Sehnsucht nach einer unbekümmerten subversiven Zeit, einer lasziven Bohème, die auzuleben sie bis heute nicht gewagt hatte. Ein konkretes, und durch und durch positives Ziel vor und in ihren Augen entstehen zu lassen, - und all das natürlich gratis, denn ich, als Gentleman, würde natürlich alle Kosten tragen -, ist ein unüberwindbares Netz für eine junge, hungrige Seele, die über Jahre eher unentschlossen vor sich hin waberte, und keine anderen Ankerpunkte in ihrem Leben hatte, als ihre Arbeit, ihre Familie und ein paar namenlose Freunde.
Und es sollte tatsächlich Wirklichkeit werden. In den folgenden 2 Tagen trafen wir uns gegen abend nach ihrer Arbeit und dann begann bereits unser erstes Liebes-Wochenende, hier zuhause in unserem schönen Wien, in ihrer vertrauten, angstfreien Heimat, überwältigt durch die Macht meiner Bilder und hypnotischen Worte, in meinem Atelier, in meiner Wohnung und letztendlich auch in meinem Schlafgemach. Am Sonntag-Abend war alles entschieden, sie würde mit mir fahren, ins herbstliche Licht eines sonnigen Italiens, ins Herz einer bedeutenden Kulturnation. "Liebste, wir werden auf ihren Spuren wandeln, den herausragendsten Künstlern dieser Welt, wir werden Michelangelos DAVID begegnen, die UFFIZIEN durchwandern, - und abends köstlichen Wein aus schimmernden Gläsern im Mondenschein genießen, bevor wir leicht betrunken unser Schlafzimmer im 5-Sterne-Hotel in ein Schlachtfeld der Lust und Liebe verwandeln."
Das war der Plan !
Am Dienstag sollte es losgehen. Für Montag hatte ich ihr versprochen, sie für unseren ersten Urlaub neu einzukleiden, etwas Buntes für die Reise, neue Schuhe und etwas Schmuck. Dankbar dafür, dass meine Kunden und Sammler gute Preise für meine Gemälde zahlten, im Schnitt zwischen 30.000 und 50.000 Schillingen, -(heute etwa zwischen 3.000 und 5.000 €) -, war es mir ein Leichtes, diesen Urlaub und ein paar Vorab-Geschenke zu finanzieren. Im Gegensatz zu meinen weitaus berühmteren wiener Kollegen wie Ernst Fuchs, das einstige Wunderkind, das zeitlebens pleite war und über seine Verhältnisse lebte, wie auch Rudolf Hausner, der einem sehr aufwändigen Lebens-Stil mit geld-intensiven Frauen an seiner Seite huldigte, war ich eher von der "normalen" Sorte, - und dadurch auch immer liquide. Ich brauchte weder einen goldenen Rolls-Royce wie Ernst Fuchs, noch eine eigene Insel irgendwo im Pazifik wie der geniale Friedensreich Hundertwasser, - wo ich ohnehn in kürzester Zeit vor Einsamkeit gestorben wäre. Da gönne ich mir lieber ein paar lustige Tage mit einer liebestollen Burgi mit erhöhter Temperatur in bestimmten Körperzonen, als drei Gärtner zu bezahlen, die meinen Garten pflegen, für den ich ohnehin keine Zeit habe, weil ich Tag und Nacht malen muss, um meine Schulden zu bezahlen.

Der Alfa-Romeo-Spider (1993) von BURGI
Noch mit den alten, schwarzen Auto-Kennzeichen !

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Da ich seit ca. 15 Jahren kein Auto mehr hatte, wollte ich eigentlich ein Auto mieten, doch Burgi hatte von ihrem tochter-verliebten Vater als einziges Kind nicht nur eine angemessene Wohnung in Wien-Hietzing geschenkt bekommen, sondern auch einen schnuckeligen gelben Alfa-Romeo-Spider, den sie mir für unsere erste gemeinsame Reise anbot. Sie würde ihn auch gerne selbst fahren, sodass ich die Gelegenheit hätte, die Schönheiten und Attraktionen der Landschaft uneingeschränkt zu genießen und in mich aufzunehmen, um sie später in meinenen Werken verarbeiten zu können. Dankbar nahm ich ihr Angebot an und so fuhren wir dann am Dienstag gegen Mittag los, nachdem wir unsere Koffer gepackt und noch ausgiebig gefrühstückt, bzw. gebruncht hatten.
1993 gab es für die Allgemeinheit weder Handy noch Internet. Also fuhren wir ins Blaue hinein, mit der sicheren Überzeugung vor Ort eine passende Unterkunft zu finden, von der aus wir unseren Kunst- und Liebeshunger stillen und genießen konnten.
Wir fuhren also von Wien über Graz und Klagenfurt zur italienischen Grenze, passierten Udine und dann vorbei an Venedig , Padua, Ferrara und Bologna bis ins Herz der Toskana nach Florenz. Knapp vor 22 Uhr hatten wir die knapp 900 km dann endlich geschafft und hielten Ausschau nach einer passenden Herberge.
Die grelle Neonschrift eines Touristen-Hotels ließ uns anhalten und eintreten, doch der freundliche Italiener an der Rezeption hatte kein Zimmer mehr für uns frei : ausgebucht. Wenn wir aber wollten, - so schlaumeierte Alessandro, der Rezeptionist, und mit einem Privat-Zimmer vorlieb nehmen könnten, so würde eines ganz in der Nähe zur Verfügung stehen. Es wäre im Hause seiner Mutter, würde nur die Hälfte des Hotelpreises kosten und er würde uns persönlich dort hinbringen, damit wir nicht lange zu suchen brauchten. Gesagt, getan.

Schlafzimmer in Florenz mit Heiligenbild über dem Bett

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Das Zimmer bei Antonia war groß und geräumig, mit einem überdimensionalen geschnitzten Schmerzens-Jesus am Kreuz mit Dornenkrone zwischen den beiden Fenstern und einem typischen querformatigen Heiligenbild über einem antiken und mit Polstern überladenen Ehebett, in das wir vor Müdigkeit gleich hineinfielen und in unsere Träume versanken.
Der nächste Morgen hatte gleich einen ersten Schock und zugleich einen herzhaften Lacher für uns parat. Als Burgi die beiden Fenster öffnete, um frische Luft ins Zimmer zu lassen, blickte sie direkt auf die Gräber und Statuen eines florentinischen Monumental-Friedhofes, von denen es gleich 3 in Florenz gibt.
Friedhöfe wie dieser "Cimitero delle Porte Sante" sind einerseits Orte, die die Menschen zur Stille, zur Meditation und zum Gebet einladen, andererseits sind sie aber auch wahre Freilichtmuseen, von der Stimmung her eher feierlich, aber teilweise auch mit heiterer Atmosphäre, zumindest bei Schönwetter.

Cimitero monumentale delle Porte Sante, Firenze

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Burgi und ich hatten an diesem herrlich-blauen Herbstmorgen natürlich nichts mit Tod und Gräbern am Hut, sondern frönten erstmal dem Leben in seiner hedonistischsten Variante.
Antonia, die Mutter des Rezeptionisten, hatte uns ein herrliches Frühstück zubereitet, und neugierig wie alle italienischen Mamas, befragte sie uns über unsere Herkunft, unser Leben und unsere Ziele. Burgi, die sehr gut italienisch sprach, - schließlich war sie ja 2 Jahre mit einem Italiener verheiratet gewesen, plauderte lange mit unserer Wirtin, bis all deren Fragen zu ihrer Zufriedenheit beantwortet waren.
All die Attraktionen der Kunst in Florenz, die wir die kommenden 3 Tage abarbeiteten, überspringe ich jetzt. Jeder kennt die Uffizien, wo man die beeindruckendsten Skulpturen und Gemälde der Renaissance bestaunen kann, oder die Galleria dell’Accademia mit seiner berühmten David-Statue von Michelangelo. Die restlichen 15 Museen schafften wir nicht mehr, und nach der 3. Kirche ließen wir auch das, denn weder Burgi war fromm noch ich, und unser beider Leben in diesen fröhlichen Tagen schon ganz und gar nicht. Am Samstag zu Mittag war dann auch unser 3-Tages-Museums-Pass abgelaufen, und wir hatten auch inzwischen wirklich genug von Kunst und Kultur und suchten nach etwas Anderem. Antonia, unsere Wirtin und erfahrene Fremden-Betreuerin, schlug uns vor einen Abstecher nach Impruneta, 15 km südlich von Florenz, zu machen. Das Traubenfest in Impruneta, mitten im toskanischen Chianti-Weinanbaugebiet, findet jeden letzten Sonntag im September statt, also morgen, und ist ein Spektakel, das jedes Jahr Tausende von Menschen in die Stadt lockt.
Sonntag früh, nach dem Frühstück, also ab ins Auto und auf nach Impruneta !
Burgi, bestensgelaunt und tod­schick mit ihren blonden Haaren unter einer orangenen Haube in ihrem gelben, offenen Alfa-spider, und meine Wenigkeit mit Schal und Sonnenbrille, machten uns auf zu neuen Abenteuern in die toskanische Provinz !
Der Mittelpunkt der Wein- und Terrakotta-Stadt Impruneta, die ursprünglich eine Ansammlung von zwölf kleine Ortschaften ist, die alle auf einigen nah beieinander liegenden Hügeln verteilt sind, ist schon seit ewiger Zeit die um 1060 erbaute Walllfahrtskirche Santa Maria mit ihrem eher niedrigen Campanile (Glockenturm). Vor der Kirche erstreckt sich der Hauptplatz, die Piazza Buondelmonti, der Treffpunkt der Stadt, wo der Markt und die traditionellen Feste stattfinden.
Bei unserer Ankunft auf der großzügigen Piazza herrschte bereits überall reges Treiben und nur mit Mühe ergatterten wir noch 2 Plätze an einem langen Tisch, der uns beste Aussicht auf das gewährte, was demnächst kommen sollte.

Traubenfest in IMPRUNETA, Toskana

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Die Eröffnung des Traubenfestes lag in den Händen des Bürgermeisters, von dessen Rede ich kein Wort verstand, aber das darauf folgende Konzert der Filarmonica Giuseppe Verdi di Impruneta war beeindruckend. So wie unser Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker nicht ohne ein Dutzend Kompositionen der Strauss-Familie auskommt, geht im schönen Italien natürlich auch nichts ohne Puccini, Rossini und natürlich den unvergleichlichen und überragenden Giuseppe Verdi. Das Orchester war zu diesem feierlichen Event noch durch 2 Sänger verstärkt worden, einen wahrlich erfahrenen Belcanto-Tenor, der mit seinem "La donna è mobile" aus Verdis "Rigoletto" für grandiose Stimmung sorgte, und einer etwas fülligen und zigeunerhaften Mezzosopranisten oder Altistin, die mit ihrem rauchigen Timbre und frivolen Tanzeinlagen das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss.
Auch ich applaudierte aus tiefster Überzeugung.
Der Höhepunkt der Veranstaltung ist der Wettbewerb zwischen den 4 Bezirken Imprunetas mit der Parade der Festwagen. Jeder der 4 Bezirke stellt seine Wagen vor der Basilika auf, wo dann eine choreografierte Geschichte vorgetragen wird, in deren Mittelpunkt das Thema Weintrauben steht. Danach trifft eine Jury dann die Entscheidung über den Siegerwagen des Jahres.
Neben uns, eigentlich neben Burgi, saß ein Mann, dem man eine gewisse Aufregung ansah, und der in den Pausen der Veranstaltung begann meiner Burgi seine Geschichte zu erzählen.
Sein Name war Umberto Santoro, er war etwa in meinem Alter, Mitte 40, und er begann seine Erzählung mit einem Ereignis vor 20 Jahren, im Jahre 1973 :
"Ich war Mitte 20, als ich meine in Rom verheiratete Schwester Laura besuchte. Ich spazierte an einem heißen Junitag über die Piazza Navona in Rom. Gegenüber des berühmten Neptun-Brunnens, in einem der Häuser war eine kleine, mit bunten Tüchern verhangene Türe und darüber ein Schild mit "Chiromanzia" ("Handlesen").

Piazza Navona mit Neptun-Brunnen in Rom

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Ich trat ein, aus Neugier und Langeweile, und was dann geschah, sollte mein ganzes Leben verändern. Eine ältere, aber noch immer attraktive Frau mit dunklen Haaren saß in diesem schwach beleuchteten Raum an einem mit einem Teppich überzogenen Tisch und bat mich ihr gegenüber Platz zu nehmen.
Sie sagte mir, wenn ich etwas aus meiner Vergangenheit erfahren wolle, dann möge ich ihr die rechte Hand geben, wenn ich Rechtshänder sei, und die Linke, wenn ich mehr an meiner Zukunft interessiert sei. Ich reichte ihr meine Linke, - ich war jung und es war für mich natürlich wichtiger, zu erfahren, was meine Zukunft für mich bereit hielt, als in einer Vergangenheit zu wühlen, von der ich glaubte, sie ohnehin zu kennen.
Sie betrachtete sehr lange meine Hand unter einer kleinen Nachttischlampe, hielt dann inne, klappte meine Hand zu und sagte : "Meine Name ist Romania und ich weiß, dass Dein Name 7 Buchstaben hat wie auch der meine, - und ich habe eine ganz besondere Nachricht für Dich ! Mir wurde soeben von der großen Macht der Auftrag gegeben, Dir zu sagen, Du mögest den Weg des Engels gehen. Es wird Dir bald eine Frau begegnen, die Deiner Hilfe bedarf, und wenn Du ihr hilfst, wird Dir großes Glück widerfahren, denn du trägst das Zeichen eines Auserwählten in deiner Hand, aber wenn Du Dich abwendest, wird keine frohe Stunde mehr in Deinem Leben sein. Denn die Vögel des Himmels können Deine Gedanken lesen und tragen Deine geheimen Worte zu dem, der die Gesetze macht. Und wenn sein Fluch Dich trifft, wird sich Dein Garten für immer in eine Wüste verwandeln. - Mehr habe ich Dir nicht zu sagen. Jetzt geh, und tu, was Dir die große Stimme befohlen hat."

Handleserin

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Ich war wie erschlagen. Was hatte das alles zu bedeuten ? Ich wußte es nicht.
Ich fragte, was ich ihr schuldig sei, und sie sagte : "Nichts, denn mein Lohn ist nicht von dieser Welt. Adieu."

Ich taumelte auf die Strasse, zurück in die laute Welt eines belebten Platzes mitten in Rom, und wußte nicht, was ich von dem soeben Erlebten halten sollte. Hatte es etwas zu bedeuten, oder würde ich es bald vergessen haben. Nachdenklich fuhr ich nach Hause zu meiner Schwester, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren.

Zwei Tage später bestieg ich gegen 8 Uhr früh am Bahnhof Roma Termini den Zug nach Florenz, wo mich nach knapp 2 Stunden Fahrzeit mein Bruder Tommaso in Florenz abholen sollte. Tomaso und ich hatten vor Kurzem das alteingesessene Weingut unseres Vaters übernommen. Wir hatten große Pläne und auch das nötige Wissen, um unser Terroir in Impruneta optimal weiter bewirtschaften zu können. Tommaso und ich hatten die Weinbauschule RICASOLI in Siena besucht und abgeschlossen. Unsere Eltern, erfahrene Weinbauern seit Jahrzehnten, hatten uns schon früh auf die Übernahme vorbereitet, denn im Grunde seines Herzens wollte unser Vater lieber seiner Natur folgend in einer eigenen Trattoria den Sommelier spielen.
Als ich meinen reservierten Fensterplatz im Schnellzug nach Florenz einnehmen wollte, mußte ich feststellen, dass da bereits eine junge Dame saß. Ihr eigener Platz war eigentlich der mir gegenüber, aber da sie lieber in Fahrtrichtung saß, hatte sie sich erlaubt, meinen Platz zu okkupieren. So kamen wir gleich ins Gespräch und nachdem ich mich eingerichtet hatte, schlug ich meinem außerordentlich attraktiven, weiblichen Vis-à-Vis vor, mich in den Speisewagen zu begleiten, da ich noch nicht gefrühstückt hatte. Sie war einverstanden und so baten wir den Herrn jenseits des Mittelkorridors, auf unsere Koffer aufzupassen, und begaben uns mit unserem Handgepäck, Geld, Pass und Ticket, ins Bord-Rerstaurant. Wir fanden zwei Plätze an einer Art Bar und nachdem ich meine Neugier nur schlecht verbergen konnte, erzählte mir Emilia ihre abenteuerliche Geschichte.
Sie war am Vortag von Caltagirone, ihrer Heimatstadt im Herzen Siziliens, abgereist, und hatte bereits 12 Stunden Bahnreise hinter sich. Eigentlich sei sie auf einer Art Flucht. Natürlich wollte ich alles ganz genau wissen, und da ich mich gerade an die seltsamen Worte der Wahrsagerin von der Piazza Navona erinnerte, fragte ich mich natürlich, ob Emilia wohl diejenige Dame sein könnte, die mir die Handleserin prophezeit hatte.

Caltagirone, Emilias Heimatstadt im Herzen Sizilien

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Emilia erzählte, sie gehöre zu einer der ältesten Familien in Sizilien, und fragte mich, ob ich über die spezifischen süd-italienischen Probleme dieser Region Bescheid wüßte. Ich verneinte, und so fuhr sie fort :
"Umberto, nicht nur in Palermo, nein, in ganz Sizilien ist die Gesellschaft zweigeteilt. Einerseits gibt es hier den Clan des Verbrechens und auf der anderen Seite gibt es die Familien des Friedens. Mein Großvater stammt ursprünglich aus dem Clan derer, dessen Name niemand auszusprechen wagt, hatte sich aber von den Machenschaften des Syndikats abgewandt, als er meine Großmutter heiratete, die aus einer ehrbaren Handwerker-Familie stammte, und die dazu ausersehen war, die Keramik-Produktion ihrer Vorfahren fortzuführen. Enzo, mein Großvater, übernahm dann diese Aufgabe und unter seiner Führung expandierte und florierte das alteingesessene Unternehmen seiner Frau auf das Vorzüglichste. Der Familie meiner Großmutter wurde eine tausendjährige Vergangenheit nachgesagt, deren Ursprung der alten Legende der "Teste di Moro" entsprang. Bei diesen Teste di Moro handelt sich um elegante, handbemalte dekorative Keramikvasen in Form von zwei Mohrenköpfen, einem männlichen und einem weiblichen, deren Entstehung auf eine tragische Liebesgeschichte zurückgeht. Die Legende besagt, dass in Kalsa, im Herzen Palermos, ein schönes, adeliges Mädchen lebte, das sich gerne um die Pflanzen auf ihrem Balkon kümmerte. Eines Tages wurde ein Maure mit Turban auf sie aufmerksam und verliebte sich in sie. Der Mann erzählte ihr von seinen Gefühlen, und die beiden waren vom Verlangen überwältigt und gaben sich einander hin. Als das von ihrer Leidenschaft überwältigte Mädchen erfuhr, dass ihr Geliebter bald in den Osten zurückreisen würde, wo Frau und Kinder auf ihn warteten, ergriff sie das grünäugige Ungeheuer - die tödliche "Eifersucht". Sie fühlte sich durch seinen Verrat bis ins Innerste gedemütigt und tötete den Mauren, während er schlief, indem sie ihm in einem Anfall von barbarischer Gewalt den Kopf abschlug. Seinen Kopf benutzte sie dann als Vase, in der sie berauschend duftendes Basilikum pflanzte. Das Mädchen bewässerte die Pflanze täglich mit ihren Tränen, und mit der Zeit wuchs das Basilikum derart üppig, dass es von der gesamten Nachbarschaft wahrgenommen wurde.
Der eindringliche Duft des Basilikums, der altgriechischen Königspflanze, erregte die Neugier der Nachbarn, die daraufhin begannen Keramikvasen in Form des abgetrennten Mohrenkopfes bei dem Mädchen zu bestellen. Auf diese Weise begründete die junge Adelige die sizilianische Keramik-Tradition, die sich bis heute gehalten hat."

Teste die Moro
handbemalte dekorative Keramikvasen in Form von Mohrenköpfen

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Ich hörte aufmerksam zu, als Emilia plötzlich ernster wurde und fortfuhr :
"Umberto, sicher hast Du schon gehört, dass in Palermo eine Sonderkommission zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens gegründet wurde. Kurz darauf wurden von der Mafia 2 Mitglieder dieser Kommission ermordert. Mein Großvater war ein Freund vom Chauffeur eines der Ermordeten, der das Attentat knapp überlebte, obwohl er im selben Auto saß wie die beiden Beamten, die auf der Stelle tot waren. Vor Kurzem kam nun das Gerücht auf, dass mein Großvater, der ja ursprünglich aus dem Familien-Clan des Verbrechens stammte, dem Chauffeur geheime Namen genannt haben könnte, und dieser diese Informationen an die Mafia-Jäger weitergegeben haben könnte. Und da man sich in unserer Familie der Rache-Gelübde der "Organisation" sehr bewußt ist, hat mir meine Großmutter befohlen, Sizilien auf der Stelle zu verlassen, und mich an einem unbekannten Ort zu verstecken. Und so bin ich nun auf dem Weg nach Impruneta, in die Terrakotta und Keramik-Stadt, wo meine Oma eine befreundete Familie kennt, bei der ich als Keramik-Künstlerin Arbeit finden könnte."
Mir verschlug es die Sprache : Hatte Emilia gerade IMPRUNETA gesagt, diese kleine Stadt im Herzen der Toskana, die niemand kannte, und die mein Zuhause war ? Tatsächlich, sie war auf dem Weg nach Impruneta ! Das kann kein Zufall sein, dachte ich mir, all das erscheint mir eher als ein Fügung Gottes. Emilia war natürlich genauso überrascht wie ich, dass sie ausgerechnet auf dem Weg in jenes eher unbekannte Städtchen war, in dem ich geboren war und immer noch wohnte. Auch ihr erschien es mehr als ein Zeichen einer höheren Gewalt, denn als ein Zufall.
Beschwingt und gut gelaunt verließen wir den Speisewagen, um in unseren Waggon zurückzukehren. Als wir dort ankamen, erwartete uns ein Schock. Wir hatten etwa noch eine halbe Stunde Fahrzeit bis Florenz, aber offensichtlich hatte jener Mann, den wir gebeten hatten, auf unser Gepäck aufzupassen, die Gelegenheit genutzt Emilias Koffer zu stehlen und war mit diesem offenbar irgendwo ausgestiegen. Natürlich auf Nimmer-Wiedersehen.
Nun stand sie da, Emilia, ohne Kleider, nur das, was sie am Leibe trug, und ihre Handtasche, die sie zu unserem Frühstück an der Bar mitgenommen hatte. Natürlich bot ich Emilia sofort an, sie in unserem Auto von Florenz nach Impruneta mitzunehmen, wo sie um 14 Uhr bei der befreundeten Familie erscheinen und ihr Vorstellungs-Gespräch absolvieren sollte.
Tommaso, mein verläßlicher Bruder, erwartete mich schon auf dem Bahnsteig. Ich stellte ihm Emilia, meine bezauberde Reisebekanntschaft vor, skizzierte ihm kurz die Lage, und da es erst 10 Uhr vormittags war, und Emilia nichts Frisches mehr zum Anziehen hatte, entschlossen wir uns Emilia zu einer gemeinsamen Shopping-Tour zu überreden. Florenz ist natürlich nicht nur eine der großen Kulturstädte der Welt, sondern auch eine Stadt der Mode. Mit der Mode-Metropole Mailand kann man Florenz zwar nicht vergleichen, aber ein paar schöne Kleider, Dessous und Schuhe findet man hier auch an jeder Ecke. Lachend erlaubte es uns Emilia, ihr bei ihren Einkäufen "beratend" zur Seite zu stehen, wobei sie natürlich ahnte, dass wir nur ein paar intime Blicke auf ihren untadeligen Körper in der Umkleide werfen wollten.
Da sie ja irgendwie auch meinetwegen, bzw. wegen meiner Einladung in den Speisewagen, ihres Koffers beraubt worden war, bot ich ihr an, all ihre neuen Dessous zu bezahlen, die sie nun benötigte, wenn sie mir erlauben würde, sie dabei stilistisch zu beraten. Sie meinte zwar, das sei in Italien nur Ehemännern und neuen Liebhabern erlaubt, aber ich antwortete zwinkernd, man könne mittelfristig weder das Eine noch das Andere ausschließen. Damit war der Bann gebrochen, unser Flirt war in vollem Gange, SIE wußte es, ICH wußte es, und mein Bruder, der im Auto saß und wartete, ahnte es zumindest.
Mit vielen Packerln beladen, stiegen wir in den Wagen von Tommaso, wo wir Emilia anboten, dass sie doch vorübergehend in unserem Haus wohnen könnte. Unsere Nonna war letztes Jahr gestorben, wir hätten Platz ohne Ende, ihr Zimmer wäre frei und es wäre eine Ehre für uns, sie in unserem Hause willkommen zu heißen. Nach einigem Zögern stimmte sie zu, und ich war wieder einmal stolz auf meine Überredungskunst, die ich natütlich nicht so nannte, sondern "Überzeugungskraft".
Unsere Eltern staunten nicht schlecht, als wir ihnen die schöne, dunkelhaarige Emilia, mein Fundstück aus dem Fernzug präsentierten, aber Anfang der 70er-Jahre, waren selbst in Italien die Sitten bereits etwas freizügiger geworden, sodass so ein katholischer Tabubruch auch in einer eher konservativen Familie toleriert werden konnte. Pünktlich um 14 Uhr brachte ich dann Emilia zu ihrem Keramik-Vorstellungsgespräch, am anderen Ende der Stadt. Ich wartete solange im Auto, etwa eine dreiviertel Stunde, und danach fuhren wir in die hügeligen Weinberge, wo sie von oben einen Blick auf unsere Stadt und die sich anschließende Ebene werfen konnte.
Nun, sie ahnen es, - ich war verloren ! Nicht nur die Prophezeihung der Handleserin von der Piazza Navona war eingetroffen, sondern auch die Gewissheit, dass ich ein Auserwählter sei, und nun diesen eigenen Gesetzen zu folgen hätte.
Emilia blieb nicht nur 1 Nacht in unserem Hause, sondern bis heute - 20 Jahre. Nach 6 Monaten heirateten wir und nach 12 Monaten gebar Emilia unsere Tochter, die sie im Andenken an ihre eifersüchtige Ur-Ahnin, die ihren treulosen Liebhaber gemeuchelt hatte, Maurizia nannte."
Umberto erzählte diese Geschichte meiner lieben Burgi, die mir alles übersetzte, und zum Abschluss gab es dann noch die Überraschung des Tages, den Grund für die unübersehbare Aufregung, in der Umberto augenscheinlich gefangen war.
Nach dem Höhepunkt des Traubenfestes, der Kür des Siegerwagens, sollte ja, wie jedes Jahr die alte Weinkönigin, der neuen Prinzessin ihre Krone überreichen, - und die neue toskanische Weinkönigen des Jahres war : die 19-jährige MAURIZIA, - die Tochter von Umberto.
Und schon kam sie angefahren, die wunderschöne und herausgeputzte Maurizia, auf einem üppig dekorierten Erntewagen, mit langen roten Haaren, die Krone der Siegerin wurde auf ihrem Haupt platziert. Sie trug ein lichtgrünes, pastellfarbiges Kleid, das an ein Brautkleid erinnerte, und das mich als Maler vom Hocker riss !
Was für eine Schönheit ! Unübersehbar ein Kind der Liebe, privilegiert durch eine gottgebene Aura und Präsenz, die sofort jeden Raum, ja sogar diesen ganzen riesigen Platz erfüllte, und die der Augenblick ihres Erscheinens zu einem Ort der Unvergesslichkeit machte.
Umberto stand auf, um zu seiner Tochter zu eilen, an diesem Tag, wo sie so schön war wie nie zuvor, und sie innig umarmte, damit jeder sehen konnte, dass er es war, der sie gezeugt, geliebt und geformt hatte. Es war nicht nur IHR Tag, es war auch der Seine, und das Strahlen in seinen Augen zeigte, dass er dem Weg des Engels gefolgt war, wie ihm befohlen, und er ein würdiger Träger des Zeichens des Auerwählten war, ein geheimer Heiliger, ein Apostel der Liebe, mitten im Herzen der Toskana. Applaus brandete auf, alle erhoben sich, um der jungen Gekürten ihre Ehre zu erweisen. Das Bild der jungen Maurizia brannte sich für immer ein in die unendliche Galerie der ewigen Ikonen, die zu malen eine höhere Macht mich zwingt und immer gezwungen hat.

MAURIZIA - die schöne toskanische Weinkönigin !
Aquarell von Hugo Heikenwälder

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So nehmt es denn mit euch, mein duftiges Aquarell der schönen Maurizia, wie sie da so steht, in den Hügeln von Impruneta, in ihrem lichten Kleid aus Sonne und Herbst, - unvergeßlich.

Und eines hoffentlich fernen Tages, wenn die große Stimme mich ruft, um ihr zu folgen in die ewigen Gefilde der Unendlichkeit, wird es über mir hängen, das kleine zarte Bild von Maurizia, der ich begegnen durfte, im Augenblick ihrer ersten und schönsten Blüte.

Das war sie, die lange Geschichte von Burgi und mir, von Umberto, Emilia und ihrer Tochter Maurizia, - und einer weissagenden Zigeunerin, die unsere Geschicke lenkte, und von der niemand weiss, wer sie wirklich war, woher sie kam und wohin sie ging . . .

Ich danke euch allen, dass ihr diese wirklich erlebte Geschichte gelesen habt, - und meinen vielen Worte gefolgt seid.
Euer - schreibender Maler und Kleckser - Hugo von Kritzelflink